Kiel hat immer noch kein schlüssiges Konzept zur Bestimmung der Mietobergrenzen


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Wie bereits berichtet sind die Mietobergrenzen in Kiel nach wie vor sehr umstritten. Nach einigen Entscheidungen in Eilverfahren liegen mir nunmehr die ersten Entscheidungen in Hauptsacheverfahren für den Zeitraum ab 01.12.2016 vor.
Die 37. Kammer des Sozialgerichts Kiel hatte in einer mündlichen Verhandlung das Jobcenter Kiel aufgefordert, nunmehr bis zum 31.01.2018 ein sogenanntes schlüssiges Konzept vorzulegen. Dies hat das Jobcenter nicht getan. Als Konsequenz hat die 37. Kammer am 05.02.2018 nunmehr durch Gerichtsbescheid entschieden – S 37 AS 598/17, dass für Kiel derzeit die Werte der Wohngeldtabelle als Mietobergrenze gelten.

Das ergibt einen Angemessenheitswert für Kaltmiete plus kalte Betriebskosten von monatlich 482,00 Euro bei einem Ein-Personenhaushalt. Die Stadt geht derzeit lediglich von einem Wert von 361,00 Euro aus.

Die Berufung wurde nicht zugelassen.

Es ist daher allen Menschen, die im Bereich der Landeshauptstadt Kiel nicht die volle Miete vom Jobcenter oder vom Grundsicherungsamt erhalten, zu raten, sofort Widerspruch gegen die aktuellen Bescheide einzulegen und Überprüfungsanträge für die vergangenen Zeiträume zu stellen.

Wenn Sie sich damit nicht auskennen, sprechen Sie mich gerne an.

Nach dieser Entscheidung wären folgende Werte (Bruttokaltmiete; das heißt Kaltmiete zzgl. kalte Betriebskosten) zugrunde zu legen:

Für eine Person einen Betrag von 482 EUR
Für zwei Personen einen Betrag von 584 EUR
Für drei Personen einen Betrag von 695 EUR
Für vier Personen einen Betrag von 811 EUR
Für fünf Personen einen Betrag von 927 EUR
Für jede weitere Person einen zusätzlichen Betrag von 111 EUR

Warum die 37. Kammer den Zuschlag in Höhe von 10 % auf die Tabellenwerte von § 12 WoGG, der nach der ständigen Rechtsprechung als Sicherheitszuschlag gewährt wird, nicht gewährt hat, ist derzeit nicht klar. Es kam im entschiedenen Fall drauf nicht an.

Die Kammer hat die Entscheidung wie folgt begründet (bearbeitet und gekürzt):

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kommt eine Absenkung der Kosten für Unterkunft und Heizung nur dann in Betracht, wenn die angesetzte Mietobergrenze auf einem schlüssigen Konzept beruht. Dies erfordert sowohl eine ausreichend valide Datenerhebung wie auch die Auswertung der erhobenen Daten nach einem schlüssigen, mathematisch-statistischen Gesamtkonzept. Die umfassende Ermittlung der Daten sowie die Auswertung im Sinne der Erstellung eines schlüssigen Konzepts ist Angelegenheit des Grundsicherungsträgers. Im Rechtsstreit muss der Grundsicherungsträger daher sein schlüssiges Konzept auf Aufforderung durch das Gericht vorlegen. Entscheidet der Grundsicherungsträger ohne ein schlüssiges Konzept, ist er im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht nach § 103 Satz 1, 2. Halbsatz SGG gehalten, dem Gericht eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu verschaffen und gegebenenfalls eine unterbliebene Datenerhebung und -aufbereitung nachzuholen (vgl. BSG vom 12. Dezember 2013, Az. B 4 AS 87/12 R – juris, Rn. 24). Fehlt es hieran – etwa weil die erforderlichen Daten gar nicht erhoben worden oder nicht nach einem ausreichenden schlüssigen Konzept ausgewertet worden sind – ist dem Grundsicherungsträger unter Fristsetzung Gelegenheit zur Nachbesserung zu geben;erst dann sind Kosten der Unterkunft (begrenzt durch die Tabellenwerte nach § 12 WoGG) zu übernehmen.
Ein qualifizierter Mietspiegel – und ein solcher liegt mit dem hier zugrunde gelegten Mietspiegel 2014 der Stadt Kiel vor – bietet grundsätzlich eine ausreichende Datengrundlage für die Bestimmung der Mietobergrenze. Dieser zum 1. Dezember 2014 in Kraft getretene Mietspiegel 2014 bildet jedoch lediglich bis einschließlich November 2016 eine ausreichende Grundlage für die Bestimmung der Mietobergrenze, denn die Validität der entsprechenden Daten ist nach Ablauf von zwei Jahren nicht mehr gewährleistet. Zwar lässt sich § 22 SGB II eine solche zeitliche Begrenzung nicht unmittelbar entnehmen, sie folgt aber aus einer systematischen Auslegung. Insoweit ist. zunächst zu beachten, dass nach § 22c Abs. 2 SGB II eine Frist von zwei Jahren für Kommunen gilt, die ihre Mietobergrenze nicht durch Verwaltungsvorschriften sondern im Wege der Satzung nach § 22a ff. SGB II festsetzen. Es erscheint nicht plausibel, dass die erforderliche Aktualität der Daten demgegenüber bei der Verwendung von Verwaltungsvorschriften auch über den Zeitraum von zwei Jahren hinaus gegeben sein soll. Dabei ist insbesondere auch zu beachten, dass § 558d Abs. 2 BGB selbst . anordnet, dass ein qualifizierter Mietspiegel nach zwei Jahren zu aktualisieren und nach vier Jahren vollständig neu zu erstellen ist. Auch aus dieser Vorschrift ist zu entnehmen, dass den für einen qualifizierten Mietspiegel erhobenen Daten nur eine zeitlich begrenzte Validität zukommt. Diese ist für den 2012 neu erstellten und 2014 (nur) aktualisierten Mietspiegel
nicht mehr der Fall.
Die Kammer hat (im Gegensatz zum Unterzeichner) vorliegend keinen Zweifel daran, dass im Rahmen der Datenerhebung für den Mietspiegel 2017 vom Beklagten (bzw. der Landeshauptstadt Kiel) ausreichend valide Grundlagendaten, erhoben worden sind. Diese hat der Beklagte jedoch nicht im Rahmen eines schlüssigen mathematisch-statistischen Konzepts ausgewertet und hieraus eine überprüfbare Mietobergrenze ermittelt. Jedenfalls hat er dies – trotz Aufforderung und Fristsetzung durch das Gericht – nicht fristgemäß mitgeteilt und dargelegt. Dies begrenzt die Amtsermittlungspflicht des Gerichts (BSG aaO.), denn ohne Darleg~ng der entsprechenden Grundlagen vermag das Gericht nicht festzustellen, ob die inzwischen auf der Homepage des Beklagten veröffentlichten‘ neuen Mietobergrenzen nach einem schlüssigen Konzept im Sinne der Rechtsprechung des BSG ermittelt worden sind. Das. Gericht ist darüber hinaus auch nicht in der Lage, aufgrund de,r erhobenen Daten selbst eine Angemessenheitsgrenze festzulegen, die diesen Anforderungen genügen würde, da dem Gericht die hierzu erforderlichen Daten aus der Datenerhebung für den Kieler Mietspiegel 2017 nicht vorliegen. Die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung übersteigen beim Kläger auch nicht die Tabellenwerte nach § 12 WoGG, sodass insoweit keine Begrenzung vorzunehmen war und in der Folge die tatsächlichen Kosten bei der Leistungsberechnung zu berücksichtigen sind.

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